Sonntag, 13. April 2008

Die Welt der Wissenschaftsblogs : Anonyme Wissenschaftsblogs - Was steckt dahinter?

Bildquelle Pixelio: (c) Carola Langer
Was in der realen Welt der Wissenschaft an Universitäten und in wissenschaftlichen Printmedien nicht denkbar ist, macht das Web 2.0 möglich: Zahlreiche Wissenschaftsblogs werden anonym geführt. Wie lässt sich dieses Phänomen erklären. Welche Gründe führen dazu, dass man nicht in eigenem Namen und in eigener Verantwortung einen "Wissenschaftsblog" betreibt?

Die Betrachtung "anonymer Wissenschaftsblogs" geschieht hier im Hinblick auf die Frage: "Was sind (gute) Wissenschaftsblogs". Die derzeitigen "Meldungen" zum "germanresearchblogging", deuten darauf hin, dass auch anonym bloggende Wissenschaftsblogs ihr Interesse an Qualitätssicherung bekunden.

Viele anonyme Wissenschaftsblogger stehen durchaus im Ansehen der Web 2.0- Bloggergemeinde. Allerdings schließen die gesetzlichen Regelungen und die durchaus vorhandenen, und in Einzelfällen auch mir bekannten Möglichkeiten der Täuschung eine ernsthafte "Qualitätssicherung" zunächst (scheinbar?) aus. Da im Schutze der Anonymität sowohl Täuschung, als auch Seriosität möglich ist, ergeben sich - insbesondere für die anonymen Blogger der Kategorie 3. und 4. erhebliche Nachteile.

Zunächst versuche ich Kategorien zu bilden, welche "Arten" von anonymen Wissenschaftsblogs im Internet überhaupt vertreten sind? Danach stelle ich einige Hypothesen auf, welche Beweggründe dazu führen können bzw. könnten, einen anonymen Blog zu führen. Meine Leser - gemeint sind hier Wissenschaftsblogger und ihre Leser - möchte ich bitten, die Kommentarfunktion zu nutzen und ihre Gedanken dazu zu äußern.

Die "Arten" anonymer Wissenschaftsblogs:

  • 1. Laien in der Anonymität des Wissenschaftsbloggens
  • 2. Abiturienten, Studenten und Studienabbrecher in der Anonymität des Wissenschaftsbloggens
  • 3. Absolventen eines wissenschaftl. Studiums in der Anonymität des Wissenschaftsbloggens
  • 4. Anonyme Blogs von Doktoranden, d.h. Absolventen eines wissenschaftlichen Studiums, welche eine Doktorarbeit verfassen

ad 1.) Laien in der Anonymität des Wissenschaftsbloggens
Unter Nummer 1 versammeln sich jene, welche die Anonymität nutzen, um sich selbst eine "neue" und angesehenere Identität zu verschaffen. Damit werden berufliche Fehlentwicklungen, schulisches Versagen, verpasste Chancen kompensiert und die eigene Identität mit dem "Wissenschaftlerdasein" in der virtuellen Realität "aufgemöbelt".
Das Web 2.0 macht dies möglich. Solange die virtuelle Community keine Offenlegung der Identität von Wissenschaftsblogs fordert, gibt es für "Blender" eine kostenlose virtuelle Realität in der Wissenschaftsblogsszene. Zunächst vermag das Mittel einer solchen "künstlich" geschaffenen Realität eine ähnliche bzw. sogar stärkere Ersatzbefriedigung bieten, als jene welche z.B. in einer "Second-Life-Welt" möglich wäre.

ad 2) Abiturienten, Studenten und Studienabbrecher in der Anonymität des Wissenschaftsbloggens
Für diese Gruppe gilt durchaus Ähnliches, wie in Gruppe 1. Allerdings lässt sich ein Unterschied zu einem "echten" bloggenden Wissenschaftler schlechter ausmachen. Diese Gruppe wird durchaus von der Community der Wissenschaftsblogger ernst genommen. Sie werden aufgesucht und wissenschaftliche Diskurse werden geführt. Gehen diese jedoch in die Tiefe, kommen solche selbst ernannten Wissenschaftler dann durchaus ins Straucheln: Ihre Argumente bleiben oberflächlich. Eine Argumentation auf wissenschaftlicher Ebene, mit wissenschaftlichen Methoden ist kaum möglich.
Allerdings ist die Wahrscheinlichkeit der Aufdeckung weniger groß, wie dies in der Gruppe 1 der Fall ist. Dazu gibt es wieder viel zu viele Beispiele von bloggenden "echten" Wissenschaftlern, welche als Blogthemen weniger ihr eigenes Studiengebiet auswählen und dann mit ihren gewählten Themen die Grenzen zwischem wissenschaftlich und nicht-wissenschaftlich geführtem Diskurs verschwimmen lassen.

ad 3) Absolventen eines wissenschaftl. Studiums in der Anonymität des Wissenschaftsbloggens
An dieser Stelle beginne ich mich zu fragen, warum Menschen, welche ein wissenschaftliches Studium abgeschlossen haben, überhaupt anonym bloggen (müssen). Denn nüchtern betrachtet gibt es eigentlich keinen "triftigen" Grund.
Da es zu diesem Thema noch keine "Studien" gibt und dieser Beitrag auf der Basis von persönlichen Kontakten und Informationen Dritter, zustande kommt, fehlt natürlich das konkrete Wissen über die Gründe der selbst gewählten Anonymität.

Hypothetisch könnte die Anonymität zurückgeführt werden auf
  • a) die Sorge, dass der Auftritt als Wissenschaftsblogger der eigenen wissenschaftlichen Karriere schaden könnte.
  • b) die Sorge, man könne ob seiner Beiträge in der öffentlichen Kritik stehen. Dieser Kritik fühlen sich die Blogger nicht gewachsen.
  • c) soziale Ängste verhindern das Bekenntnis zur eigenen Person
  • d) die Möglichkeit, in seinen Beiträgen auch "über das Ziel hinausschießen zu dürfen" und im Schutze der Anonymität Meinungen zu veröffentlichen, welche die Person ansonsten nicht äußern würde
  • e) die Sorge - weil die eigenen Beiträge eher "nicht-wissenschaftlichen" Charakter haben, dass das Ansehen in der realen Science-Community schaden nehmen könnte

Sicherlich sind an dieser Stelle noch etliche andere Gründe denkbar.

4. Anonyme Blogs von Doktoranden, d.h. Absolventen eines wissenschaftlichen Studiums, welche eine Doktorarbeit verfassen

Hier gelten natürlich auch die Annahmen unter Punkt 3. Wobei ich mir noch vorstellen könnte, dass einige wenige Doktoranden ansatzweise Themen aus Ihrer Arbeit bloggen, oder sofern Sie von ihrem Doktorandenleben berichten, die Anonymität ihrer Umgebung im Auge haben könnten.

Gerade im Falle des letzten Punktes ist das Bloggen aus der Anonymität heraus zunächst verständlich. Jedoch handelt sich es dann auch um einen Blog von einem Wissenschaftler, welcher über alles Mögliche und nicht vornehmlich über Wissenschaft bloggt.

Sofern jedoch keine Gründe, wie genannt, für eine Anonymität sprechen, ist eine Anonymität unter Doktoranden die unverständlichste Form der Anonymitätssuche überhaupt. Vielmehr könnte dies ein Hinweis sein auf eine(n) Blender(in), welche auf der "Schulter des (Doktoranden-)Riesen" unverdiente Lorbeeren erhalten möchte.....
Folgen anonymer Blogger für sich selbst und für das "gute" Wissenschaftsblogging:
Sofern seriös über Wissenschaft gebloggt wird, nimmt am meisten der Autor selbst Schaden. Denn seine Beiträge werden nicht ihm, sondern nur einer"fiktiven", rein virtuell existenten Figur zugeschrieben. Neben der Verletzung der Impressumspflicht, verliert die/der Autor das Urheberrecht an den eigenen Beiträgen. Denn das Urheberrecht gilt nur für Beiträge, welche einem bestimmten Autor auch zuordenbar sind.

Anonyme Autoren laufen immer Gefahr, die Grenzen seriöser Wissenschaftlichkeit und die Grenzen einer den Anderen respektierenden und höflichen Form des Umganges, zu verletzen. Bekannt ist dieses Phänomen aus der Sozialpsychologie: die Anonymität lässt Hemmschwellen deutlich sinken.

Anonyme Autoren können die virtuelle "Science Community" ordentlich aufs Glatteis führen. Besonders peinlich, wenn dann irgendein Zufall die Anonymität lüftet. In zahlreichen Blogrolls von durchaus seriös wissenschaftlich bloggenden und nicht anonymen Autoren finden sich nicht wenige anonyme Blogs. Auch anonyme Blogger, welche ich persönlich eher zur Gruppe 1+2 zähle, finden sich in Blogrolls und Verlinkungen. Ein "Stammtischgespräch" eines Bloggers der Rubrik 1.) ist letztlich der "Gedankenanstoß" für meinen Beitrag hier gewesen. Wenn sich so jemand vor anderen brüstet, wie er "echte" Wissenschafter "veraxxxxxt", dann ist dies ein wichtiger Anlass, im Netz einmal "öffentlich" darüber nachzudenken!

Die bunte Vielfalt und die völlige Undefiniertheit von Wissenschaftsblogs fördern die Existenz von Copy-And-Paste-Pseudo-Wissenschaftsblogs. So haben wir durchaus eine virtuell existente Pseudowissenschaftsblogswelt. Wie klein oder groß dieselbige ist, lässt sich schwer abschätzen.

Qualität in Wissenschaftsblogs wird transportiert durch die Qualität der eigenen Beiträge und nicht durch ein künstlich "angeeignetes" Label eines bloggenden Wissenschaftlers. Ich halte es daher für sehr wichtig, dass sich die Wissenschaftsblogszene profiliert und ihre Wissenschaftsnähe bzw. -ferne durch die Schaffung eigener Regeln definiert.

Das bedeutet:
Wissenschaftsblogs, wie z.B. die hardbloggingscientists haben sich bestimmte Regeln für ihr Bloggen gesetzt. So ist es denkbar, dass Blogger selbst "Kategorien" schaffen, um die unterschiedlichen Erscheinungsformen in den Wissenschaftsblogs durch die nähere Beschreibung ihrer Wünsche und Ziele, für ihre Leser näher zu kennzeichnen.

FAZIT:
Leider kann und darf man in der virtuellen Welt nicht alles glauben. Zu schwimmend sind die - gerade bei der jüngeren Generation - gut eingeübten "Rollen" zwischen virtueller "Spielewelt" und virtueller "Bloggerwelt."
Seriös und begründet "anonym" bloggende Wissenschaftler haben das Nachsehen.....

Aktuelles trauriges Beispiel dafür, dass kritisches Hinterfragen wichtig ist:
Gefälschtes Interview in Polylux
Kommando platziert gefälschtes Interview in Polylux
"Erschreckend, wie einfach es ist, selbst gewählte Inhalte in Massenmedien zu platzieren und so gesellschaftliche Wirklichkeit werden zu lassen."


P.S.: Kommentare welche die Netiquette verletzen, werden von mir entfernt.

Freitag, 11. April 2008

Neues Qualitätssiegel für wissenschaftliche Blogposts

Für Wissenschaftsblogger, welche insbesondere an der "Qualität" Ihres Blogs interessiert sind, bietet sich die Teilnahme und Diskussion bei Tobias Maier in seinem Blog WeiterGen an. Tobias hat die Initiative ergriffen und mit den amerikanischen Researchbloggern eine Kooperation mit der Gründung eines deutschen Tochterresearchblogs gestartet:
" In Zusammenarbeit mit researchblogging.org und scienceblogs.de hat WeiterGen die Übernahme eines Gütesiegels für deutschsprachige Blogeinträge über wissenschaftliche Publikationen initiiert."
Wer interessiert ist, kann sich bei Tobias, bzw. dem deutschen Researchblog melden. Ausführliche Informationen gibt es bei WeiterGen (Scienceblogs): hier
Und natürlich sollt Ihr dort auch ausgiebig um die Frage der Qualitätssicherung diskutieren.

Die Vorlage für die Researchblogger-Qualitätskriterien sieht so aus:

Die Guidelines der "Researchblogger": http://bpr3.org/?p=53
  1. The "Blogging on Peer-Reviewed Research" icons are to be used solely to denote individual blog posts about peer-reviewed research.
  2. While there is no hard-and-fast definition of "peer-review," peer reviewed research should meet the following guidelines:
    • Reviewed by experts in field
    • Edited
    • Archived
    • Published with clearly stated publication standards
    • Viewed as trustworthy by experts in field
  3. The post should offer a complete formal citation of the work(s) being discussed.
  4. The post author should have read and understood the entire work cited.
  5. The blog post should report accurately and thoughtfully on the research it presents.
  6. Where possible, the post should link to the original source and / or provide a DOI or other universal reference number.
  7. The post should contain original work by the post author -- while some quoting of others is acceptable, the majority of the post should be the author's own work.
  8. Users and readers may report potential abuse of the icons by emailing the site administrator, Dave Munger (remove dashes). Reported abuses may be brought to the attention of readers and discussed publicly online.
  9. Repeated abuse of the icons will result in removal from our aggregation system.

The quality of the posts listed on our site is monitored by the member bloggers. If a post doesn't follow our guidelines, it is removed from our database. Borderline cases may be discussed in our forums.

Damit wäre ein erster Schritt - dank der Initiative von Tobias - in Richtung "Qualitätssicherung in Wissenschaftsblogs" getan. Angesichts der vielen Meldungen in dieser kurzen Zeit, scheint dies den Bedürfnissen etlicher Wissenschaftsblogger zu entsprechen.

Nachtrag: Im Moment erscheint es so, als ob die Initiative nur für Blogger geeignet sei, welche peer-reviewed Artikel zur Verfügung haben und - was noch hinzu kommt - überhaupt ausreichend peer-reviews in ihrer Wissenschaftsdisziplin stattfinden. Ich vermute, dass es wichtig sein wird, für das Projekt noch entsprechend Fachwissenschaftler zu gewinnen, welche dann die Kontrolle über die Blogger ausüben, welche das Qualitätssiegel für sich beanspruchen.

Wie sich die Initiative eventuell weiter entwickelt ist noch offen. Ich werde an dieser Stelle informieren, sobald weitere Informationen zur Verfügung stehen.
Hier http://german.researchblogging.org können sich Interessenten näher informieren.