Donnerstag, 3. Juli 2008

Auch Akademiker überschreiten die Grenzen des guten Tons....

(Fast) jeder Wissenschaftsblogger kennt auch diese Situation. Ob als Leser, als Blogger oder als Kommentator: nicht immer bleibt es beim "guten" Ton. Insbesondere wenn Beiträge und Kommentare die inhaltliche Seite verlassen und auf die persönliche Ebene wechseln.

Dann müssen sich manche Redakteure anhören, dass sie einen dümmlichen Artikel geschrieben haben, die Aussagen blöd seien, sie nerven würden etc....

Oft geschieht es auch aus Gedankenlosigkeit, aber spätestens, wenn eine Diskussion von der Sachebene auf die persönliche Ebene wechselt, sollten die Schreiber anfangen nachzudenken.....
"das Genörgel kann einem aber auch auf den S... gehen"
Auch das Kommentieren von Kommentaren kann herabsetzend sein - kleiner Anlaß, große Wirkung-Prinzip:
"Mein Beileid." (Kommentar zu den Schwierigkeiten eines Users) Dieser Kommentar ist ja wohl so überflüssig wie ein Kropf! (Kommentar eines anderen)
......denn leicht wird aus einer Diskussion um Wissenschaft eine Diskussion um Personen, welche herabsetzend und beleidigend im Beitrag oder im Kommentar behandelt werden.
Ad-hominem-Kritik ("Diffamierungskritik"), die mit den Methoden der persönlichen Herabsetzung, Verunglimpfung, Diskriminierung und Diffamierung arbeitet. Die Methoden und Absichten dieser unsachlichen Kritik zielen nicht auf eine vorurteilsfreie und möglichst objektive Lösung der zur Diskussion stehenden offenen Probleme, sondern setzen (1) eine bestimmte wissenschaftliche oder sonstige Hypothese als absolut gesichert sowie als endgültig und vollständig wahr voraus ("über jeden Zweifel erhaben")(Zitat Quelle: W.-E. Loennig: Antwort an meine Kritiker)
Besonders kurios wird die Situation, wenn Wissenschaftler aus den Naturwissenschaften, Wissenschaftlern einer nicht-naturwissenschaftlichen Disziplin Inkompetenz und Unwissenschaftlichkeit vorwerfen. (Dieses Thema werde ich in einem gesonderten Beitrag aufgreifen)

Jonny Häusler beklagte am 07.03.2008 in Kommentare kommentieren
"Denn die Ausdrucksweise, der Ton, die vorhandene oder fehlende Freundlichkeit, der Grad an Respekt vor Dritten in den Kommentaren können neben den Artikeln die Stimmung eines Blogs maßgeblich für alle beeinflussen."
Die Zahlen sprechen für sich: Stille Leser bilden die Mehrheit, aber Kommentatoren prägen u.U. das Erscheinungsbild eines Blogs überproportional mit und dann können, wie Jonny Häusler bemerkt:

"..der Grad an Respekt vor Dritten in den Kommentaren können neben den Artikeln die Stimmung eines Blogs maßgeblich für alle beeinflussen."
Im Spreeblick-Blog ging das so weit, dass Jonny Häusler am 17.03.2008 dort beklagt (Hervorhebung von mir):
"Immer häufiger bekommen wir Mails von Leserinnen und Lesern mit Hinweisen/ Korrekturen/ Meinungen direkt zu einem bestimmten Artikel, etwas, das noch vor zwei Jahren Seltenheitswert hatte, als Kommentare eben als Kommentar gepostet wurden. Ausnahmslos begründen die Leser dann ihre Mail anstelle eines Kommentars damit, dass sie „keine Lust haben, sich in den Kommentaren anpöbeln zu lassen......[..]...
Kommen dann noch vermeintliche Sensationsmeldungen in der Mainstream-Presse hinzu, scheint für viele Menschen festzustehen: Blogs, das sind Websites, in denen sich der hasserfüllte Mob austobt."
Wie soll nun in Wissenschaftsblogs das Posting und die Kommentare gehandhabt werden? Warum reicht es nicht aus, auf die Einhaltung der "Netiquette" zu achten? Müssen Betreiber "guter" Wissenschaftsblogs restriktiver gegen persönlich werdende und herabsetzende Kommentatoren vorgehen?

Und wie geht man mit Wissenschaftsbloggern um, welche ihren wissenschaftlichen Standpunkt mit "persönlichen" Angriffen und Infrage-Stellung der wissenschaftlichen Kompetenz angesehener Wissenschaftler "erläutern"?

Arthur Schopenhauer (Philosoph) hat in der von ihm handschriftlich verfassten "eristischen Dialektik" bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts sich darüber tiefgreifende Gedanken gemacht:
"Die Leute, wie sie in der Regel sind, nehmen es schon übel, wenn man nicht ihrer Meinung ist. Nun aber gar an einer Kontroverse mit ihnen wird man meistens Verdruß erleben;
indem man dabei es nicht allein mit ihrer intellektuellen Unfähigkeit, sondern gar bald auch mit ihrer moralischen Schlechtigkeit zu tun haben wird. Diese nämlich wird sich kund geben in der häufigen Unredlichkeit ihres Verfahrens beim Disputieren.

Die Schliche, Kniffe und Schikanen, zu denen sie, um nur Recht zu behalten, greifen, sind so zahlreich und mannigfaltig, und dabei doch so regelmäßig wiederkehrend, daß sie mir ein eigener Stoff zum Machdenken wurden. Dies brachte mich auf den Gedanken, das bloß Folrmale besagter Schliche und Kniffe vom Stoff rein abzusondern und es, gleichsam als ein anatomisches Präparat, zur Schau zu stellen, woraus eine förmliche eristische Dialektik erwuchs. (Zitat aus: Arthur Schopenhauer, Zur Logik und dialektik, im zweiten Band der "Parerga und Paralipomena".)
Einige werden sicher anmerken, dass eine solche Form der Kommunikation genau das wieder nimmt, was mit dem Bloggen beabsichtigt war: "Wissenschaft durch die persönliche Note unterhaltsam und spannend zu kommunizieren".

Also wäre zu überlegen, wo die Möglichkeiten und Grenzen jener persönlichen Note liegen könnten.....ohne die Netiquette, als auch die Regeln einer wissenschaftlichen Diskussion zu verletzen. Für mich ist das auch ein Teil, der zur Qualität eines Wissenschaftsblogs beiträgt......

Weiterführende Literatur (nur antiquarisch erhältlich):
  • Eristische Dialektik von Arthur Schopenhauer: "Die Kunst Recht zu behalten in 38 Kunstgriffen dargestellt" - Hrsg. Gerd Haffmans im Verlag Bei Zweitausendeins
P.S.: Natürlich besteht für jeden von uns die Gefahr in eine Grauzone einer verletzenden Netiquette zu geraten. Ich persönlich wünsche mir dann Leser, welche mich in einem Kommentar darauf aufmerksam machen ;-) .....

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