Es fällt auf, dass die Attackierenden oft über das Thema fachfremd bzw. ohne ausreichend Hintergrundkenntnisse urteilen..... Sie argumentieren mit Allgemeinplätzen und geraten bzw. stecken damit selbst in der "Dogmatismusfalle". .......
- Einschub I: Ein intensiv geführter Austausch mit "gegensätzlich" denkenden Wissenschaftlern, veranlasst mich, diesen Beitrag völlig umzuschreiben und auf personenbezogene "Belege" meiner Annahmen zu verzichten. Dies geschieht aus dem einfachen Grund, dass ich damit selbst wieder in der Argumentation andere persönlich herabsetze, wofür ich dann zu Recht kritisiert werden kann. Außerdem stellt das hier besprochene Phänomen ja keine Ausnahme in der Bloggerszene dar, sondern ist ein generelles Problem der "Wissenschaftlichkeit" in der Wissenschaftskommunikation ......
- Einschub II: Mein erster Beitrag zum Thema führte auch für mich selbst in die Sackgasse, da die verwendeten Beispiele zu einer von mir wohl selbst verursachten "Fehlinterpretation" der eigentlichen Intention dieses Beitrages führten ...und
- Einschub III: damit vom eigentlichen Anliegen sich wieder entfernten, da meinerseits eine unangemessene "Verteidigungsposition" der betroffenen Beispielgeber verursacht wurde und in den Kommentaren wechselseitige "Rechtfertigungen" diskutiert wurden
- Einschub IV: Um die Diskussion zu versachlichen, sah ich mich daher veranlasst, diesen Beitrag vollständig zu überarbeiten
Die eingangs kritisierte Vorgehensweise dient nicht der vertretenen Sache, welche durchaus sachlich argumentativ untermauert werden kann bzw. könnte. Und so beklagen sich die Angegriffenen zu Recht, dass
- nicht Argumente diskutiert werden, sondern die Person, welche argumentiert in den Mittelpunkt gerückt und direkt - aufgrund ihrer vertretenen Meinung - angegriffen wird...
Besonders hervorgehoben und allen Statuten gemeinsam, ist die Forderung der Offenheit für Kritik und Zweifel an den eigenen Ergebnissen und die Forderung, an wissenschaftlich fundierten Erkenntniswegen festzuhalten.
Dies führt uns zur Frage, wie wissenschaftlich fundierte Erkenntniswege aussehen:
Wer wissenschaftlich arbeitet, ist gezwungen seine Hypothesen ständig an der Wirklichkeit zu überprüfen. Und hier beginnt auch gleich das Problem, denn:
Worin besteht eigentlich "wissenschaftliches Wissen"? Jede Wissenschaft ist vor allem durch zwei Tätigkeiten gekennzeichnet: durch das Entdecken und durch das Erklären. Dabei erwachsen im günstigsten Fall die Erklärungen aus einer Theorie.
Ausgangspunkt jeder wissenschaftlichen Erkenntnis ist das Vorhandensein eines Problems. Wissenschaftliche Erkenntnis beginnt daher "nicht mit Wahrnehmungen oder Beobachtungen oder der Sammlung von Daten oder von Tatsachen, sondern sie beginnt mit Problemen". (Popper, Karl: Die Logik der Sozialwissenschaften. - Siehe Burkart, Roland: Kommunikationswissenschaft. Böhlau, 1998, S 409)
Zitat aus:Wie erkenne ich den wissenschaftlichen Charakter einer Aussage?
Wissenschaftliches Vorgehen bedeutet, dass ständig Hypothesen über die Wirklichkeit überprüft werden. Empirische Studien z.B. haben ihre Grenzen
- a) in den aktuell verfügbaren forschungsmethodischen Möglichkeiten und
- b) in den vorhandenen forschungsmethodischen Begrenzungen.
Und hier setzt nun auch meine Kritik an, denn: Im Beispiel: Erste deutsche Homöopathie-Professur ins Leben gerufen wird eine Diskussion zur Frage geführt, ob die Einrichtung eines Lehrstuhls für alternative Medizin (hier: Homöopathie) überflüssig sei. Mehrheitlich vertreten sind Homöopathie-Gegner mit der festen Überzeugung, dass die Homöopathie als solche bereits abschließend wissenschaftlich widerlegt sei. Dabei wird mit den oben genannten Vorurteilen argumentiert :
Wissenschaftliche Wahrheitsfindung ist immer subjektiv. Die Objektivität der reinen Wissenschaft existiert nicht:(Zitat aus: Wie erkenne ich den wissenschaftlichen Charakter einer Aussage?)
- Vorurteil 1: Wissenschaft ist Wahrheit!
- Vorurteil 2: Wahrheit ist zeitlos
- Vorurteil 3: Es gibt nur wissenschaftliche Wahrheit!
- Vorurteil 4: Wahrheit ist universell
- Vorurteil 1: Es entspricht der Wahrheit, dass die Unwirksamkeit der Homöopathie abschließend bewiesen sei (Homöopathie ist eigentlich ein Sammelbegriff, welcher sehr eng, aber auch sehr weit, im Sinne aller "alternativen Medizinverfahren" verwendet wird....)
- Vorurteil 2: Es sind auch keine neuen forschungsmethodischen Möglichkeiten zu erwarten, welche in Zukunft irgendwelche - auch nicht partiell - Wirkungsmechanismen der Homöopathie aufzeigen, geschweige denn erklären könnten....
- Vorurteil 3: Die Vertreter der "Homöopathie-Gegner" im Blogbeitrag behaupten: Es gibt nur Studien welche klar und deutlich und ohne jeglichen Zweifel belegen können, dass Homöopathie ausschließlich Placeboeffekte hervorbringt, wobei unterschlagen wird, dass die Placeboforschung selbst keine abschließenden Erkenntnisse hat. Das soll heißen, dass Placebowirkungen in der Wissenschaft in vielen Teilen noch unverstanden und unerforscht sind.................................... Die Begründung der Homöopathie-Gegner für Ihr abschließendes Urteil zur Unwirksamkeit ist also selbst zum Großteil unbewiesen und unerforscht. Die Argumentation der Homöopathie-Gegner gerät an dieser Stelle also selbst in eine Sackgasse, welche in der Wissenschaftstheorie als "Münchhausen Dilemma" von Hans Albert beschrieben wird. (Die Bezeichnung "Münchhausen" ist dabei an die Geschichten des Lügenbarons Münchhausen angelehnt - Link dazu: Forschung)
- Vorurteil 4: Wahrheit ist universell.....Sie ist in der dortigen Diskussion so universell, dass auch "nur" kritische Anmerkungen in die Ecke der Homöopathie-Anhänger gedrängt werden und die Homöopathie-Gegner als Vertreter eines absoluten "Wahrheitsanspruches" des letzten Beweises zur Homöopathie, damit ihre eigene dogmatisch-ideologische Position zementieren. Sie demonstrieren eine absolute Wissenschaftsgläubigkeit. Der Absolutheitsanspruch geht teilweise so weit, dass Kritiker ihres Ansatzes aufgefordert werden, doch selbst nach den zahlreich vorhandenen "Beweisen" zu suchen.........sie geht so weit, dass Andersdenkende persönlich und herabsetzend angegriffen werden.....
Wer in dieses Thema tiefer eindringen möchte, dem kann ich hier den Aufsatz von Prof. Dr. Peter Bützer empfehlen : PDF-Datei: Wissenschaftlichkeit
Und hier noch ein kurzer Auszug aus den DFG-Kriterien zur Wissenschaftlichkeit:
Empfehlung 1 ( Seite 7 )Solche dogmatisch-ideologisch geführte Diskussionen (Erste deutsche Homöopathie-Professur ins Leben gerufen ) führen daher nicht weiter, liefern keine weiteren Erkenntnisse und drehen sich im Kreise. Sie polarisieren und sorgen für eine unsachliche, persönliche, manchmal polemische und zynische Diskussionsebene.
allgemeine Prinzipien wissenschaftlicher Arbeit, zum BeispielEmpfehlung2: Freiheit der Wissenschaft gehört dabei untrennbar zusammen mit Verantwortung; das gilt für jeden Wissenschaftler ebenso wie für die Institutionen, in denen Wissenschaft verfaßt ist. Jeder, der Wissenschaft zum Beruf hat, trägt Verantwortung dafür, die grundlegenden Werte und Normen wissenschaftlicher Arbeit zu pflegen, in seinem Handeln täglich zu verwirklichen und für sie einzustehen
- lege artis zu arbeiten
- Resultate zu dokumentieren
- alle Ergebnisse konsequent selbst anzuzweifeln
- strikte Ehrlichkeit im Hinblick auf die Beiträge von Partnern, Konkurrenten und Vorgängern zu wahren
Gemeinsames Merkmal solcher weltanschaulicher Grabenkämpfe (-> Ideologie) sind daher unlautere rhetorische Methoden. Es werden nicht die Argumente der Andersdenkenden diskutiert, sondern sie werden als Person attackiert, ihre wissenschaftliche Integrität und Kompetenz wird in Frage gestellt und sie wird von oben herab "belehrt", ob ihrer "Fehlanschauungen".
Davon leben Printmedien und davon lebt das WWW, wobei auffällt, dass sich Gleichgesinnte gerne gesellen, im WWW sich wechselseitig verlinken, besuchen und Andersdenkende persönlich angehen.....
Dass die Homöopathie auch kritisch betrachtet werden kann, unter Verzicht der Herabsetzung Andersdenkender, zeigt dieses Beispiel der GWUP: Im Kreuzfeuer der Meinungen . Hier findet der Leser auch vorsichtige Argumente, welche den vorläufigen Charakter des Statements implizit andeuten... ( die Autoren argumentieren auf der Sachebene - natürlich fließt deren Voreingenommenheit d.h. der Glaube, dass Homöopathie unwirksam sei, implizit mit ein).
Mit der Einrichtung einer Professur zur Homöopathie verlässt die GWUP allerdings ihre argumentative Sachebene und stellt ihre wissenschaftliche Glaubwürdigkeit damit selbst in Frage: GWUP kritisiert neue Professur für "Komplementärmedizin" an der Charité
Wenn Sie diesen Beitrag genau ansehen, dann wird hier auf der "Schulter von ein paar "Wissenschafts-Riesen = Professoren, Forscher" und nicht mehr mit wissenschaftlichen Argumenten eine Kritik vertreten. Solche "Wissenschafts-Riesen = Professoren, Forscher" können aber auch die Anhänger der Homöopathie vorweisen.......Jener Beitrag ist kein wissenschaftlicher, sondern ein weltanschaulicher, dogmatischer, ideologischer....
Dabei hätte die von der Carstens Stiftung mit unterstütze Professur auch sachlich diskutiert werden können: Wer die auf der Webseite der Carstens Stiftung genannten Hintergründe betrachtet, ist nach einer in dieser Form von der GWUP vorgetragenen Kritik, erstaunt, dass hier Diskussionen vorgestellt werden, welche allesamt erst einer näheren Betrachtung und wissenschaftlichen Diskussion noch zugeführt werden müssen. (Eine kleine Auswahl: Wissenschaft und Forschung und
Modellbildung und -simulation für den „Arzneilichen Gehalt“ homöopathischer Potenzen
und Systematische Übersichtsarbeiten und Meta-Analysen. Anwendungsbeispiele und empirisch-methodische Untersuchungen(PDF, 908 KB) Habilitationsschrift K. Linde)
Damit ist ein "weltanschaulicher, dogmatischer" Diskurs zum Thema eröffnet, denn der aktuelle GWUP- Beitrag liefert dann wieder neue Munition für die Diskussion im Lager der "Homöopathie-Anhänger".....
Was bleibt jenen Wissenschaftlern, welche sich ein "objektives" Bild von einer fachfremden Disziplin machen möchten? Wer lauter schreit, oder wer den Andersdenkenden oder die Dinge-In-Frage-Stellenden diffamiert, der hat dann Recht? Das mag am Stammtisch gelten........unter seriösen Wissenschaftlern gelten andere Regeln....
Blogs und Disskussionsforen zeigen unparteiischen Lesern dann, wie die "Bekehrung" renitenter Andersdenkender zur Obsession wird.... Die "Besitzer der wissenschaftlichen Wahrheit" stecken in der Dogmatismusfalle und Merkmal dieser Falle ist, dass wechselseitig ein "absoluter Wahrheitsanspruch" gestellt wird und damit beide sich weit von "Wissenschaft" und üblicher "Wissenschaftspraxis" entfernen. So haben Gläubige, aber auch die Bekehrer ein Problem......
Eine ebenfalls dogmatisch-ideologisch und ergebnislos geführte Diskussion ist jene zur Fahrradhelmfrage. (Fahrradhelm-Diskussion (2)) Auch hier werden nicht die Argumente der Andersdenkenden diskutiert, sondern sie werden persönlich attackiert, wobei auffällt, dass dabei - wie in der zitierten Homöopathiediskussion - noch ein Kompetenzgefälle im Sinne einer Lehrer-Schüler-Beziehung aufgebaut wird. Hinzu kommt ein "Gruppeneffekt" und der Andersdenkende wird auch von anderen Teilnehmern persönlich attackiert. Als dieser sich nicht "geschlagen" gibt, führt dies sogar zum vorübergehenden "Maulkorb", d.h. er wurde für die Diskussion gesperrt, was die Teilnehmer nicht hinderte, sich weiterhin über ihn lästernd zu äußern. Ausgangspunkt der Diskussion war dieser unkommentierte Beitrag (Der Fahrradhelm und seltsame Diskussionen) und hier der letzte Teil (Fahrradhelm zum Dritten - Jetzt ist Schluss)
Der "Bohlen-Effekt" (d.h. Leser, Schaulustige, Streitlustige, Page Views etc.) ist dabei garantiert, allerdings unter Verzicht auf eine sachliche wissenschaftliche Diskussion.......Die Art der Diskussionen zeigen, dass Kreationisten-Vergleiche und andere Herabsetzungen - auch bei eindeutiger wissenschaftlicher Datenlage - eher provozieren, als überzeugen. Es entstehen unergiebige stark emotional gefärbte Diskussionen und als (unparteiischer) wissenschaftlich denkender Leser gewinnt man den Eindruck, dass die "Wissenschaft" dahinter nicht interessiert, sondern vielmehr Mittel zum Zweck einer unsinnigen Streiterei um "Kaisers Bart" zu sein scheint...
Mein FAZIT:
Am Beispiel der Kontroversen zwischen Homöopathie-Anhängern und Homöopathie-Gegnern kann man nachvollziehen, wie eine, ansich leicht auf sachlicher Ebene zu führende Diskussion in eine wissenschaftsideologisch gefärbte Diskussion gleitet.
Obwohl die Homöopathie keinesfalls abschließend erforscht ist und Homöopathie-Anhänger auf die große Widersprüchlichkeit, als auch auf eine mangelnde Basis sauberer forschungsmethodischer Arbeiten zur Homöopathie verweisen können, wird jede Person, welche sich erlaubt, kritische Anmerkungen von sich zu geben in das "Feindlager" der unwissenschaftlich denkenden Homöopathie-Anhänger eingeordnet. Solche dogmatischen Diskussionen finden sich zu zahlreichen Themen in unterschiedlichen Wissenschaften. Das gemeinsame Kennzeichen ist nicht das Argument, dass die Theorie durch die Wirklichkeit widerlegt sei, sondern dass Diskussionen nicht mit wissenschaftlichen Argumenten ausgetragen werden.
Ich werde demnächst in meinem Gesundheitsblog auf die für beide Seiten (d.h. Homöopathieanhänger, als auch Homöopathiegegner) bestehende unklare Datenlage eingehen. Wer zum Thema "Homöopathie" Stellung beziehen möchte, bitte ich daher dort zu diskutieren und in diesem Beitrag im Kommentarteil nur das Thema der Argumentationsmethoden und ihre Wissenschaftlichkeit anzusprechen.....
In diesem Sinne schließe ich mit einem Zitat von Frau vos Savant:
Zitat von vos Savant im Interview: Forschung und Technik „Objektivität wichtiger“ Die IQ-beste Frau der Welt über ihren Kopf
Die Leute haben meist identische Ziele, aber Schwierigkeiten, sich unvoreingenommen für einen Weg einzusetzen. Die Folge ist, daß wir uns gegenseitig blockieren, anstatt die nötigen Lösungen zu finden.